Ein Säugling versucht die Welt dinglich zu be-greifen: Indem er nach den Dingen um ihn herum greift, indem er sie zu sich holt, erfährt er etwas über ihre Beschaffenheit. Er erfährt, wie sie sich an-fühlen und er “er-arbeitet” sich Erfahrungen mit ihnen, indem er sie in den Mund steckt, sie schmeckt, an ihnen saugt, auf ihnen herumbeisst, sie sich ein-zu-verleiben versucht im ganz wörtlichen Sinne. Gelingt der tänzerische Dialog der Augen zwischen seiner Mutter bzw. seinen nahen Bezugspersonen und ihm und sind diese Menschen in der Lage, sich re-sonierend einzustimmen auf ihn und seine Bedürfnisse, ihm emotional Spiegel zu sein, der seine Äusserungen begleitet und seinen emotionalen Ausdruck, mit Variationen versehen, an ihn zurück gibt, ohne ihn zu verzerren, so hat er eine gute Chance mehr und mehr er selbst zu werden und eines Tages das in die Welt zu bringen, was ihn ausmacht…
Ein kleines Kind er-fährt ebenfalls – naturgegeben mit großem Expansionsdrang – die Welt. Seine Neu-gierde treibt es zu ent-decken und zu verstehen, was ihm begegnet. Es schiebt, baut, stößt um, gestaltet in einem fort, in spielerischer, aber auch in sehr ernster Weise. Es erkundet seine Umgebung mit zunehmenden motorischen Möglichkeiten, zunächst robbend oder krabbelnd und bald sich an den Gegenständen entlang hangelnd bis es, nach manchem Hinfallen, dann irgendwann zum Laufen kommt. Jetzt kann es weg-laufen oder hin-laufen, es gewinnt an Autonomie, entwickelt Sprache, lernt “nein” zu sagen und sich in Abgrenzung zu üben, entwickelt die Fähigkeit zum abstrakten Denken etc.. Sein Selbst-bewusstsein wächst, wenn die Umweltbedingungen es zulassen, dass es all diese und noch viel mehr Erfahrungen machen kann, unterstützt durch liebevolle, Grenzen setzende, ihn aber nicht in seinen altersentsprechenden Bedürfnissen beschneidende Begleitung…
Erfahrungen mit der Welt zu machen bedeutet von Anfang an auch, einen eigenen, kreativen Umgang mit ihr zu entwickeln. Wir sind in und mit der Welt kreativ, von Anfang an und zwar jeder/ jede von uns. – Kreative Prozesse werden immer durch Erfahrungen angestoßen. Und wir alle erfahren tagtäglich die Welt. Nur dass viele Menschen beklagen, den Zugang zu ihrem kreativen Potential verloren zu haben. Viele Menschen können sich auch schon gar nicht mehr daran erinnern jemals kreativ gewesen zu sein. Jedoch: Ein Kind muss nicht erst lernen, was es heißt kreativ zu sein: Tönen, Singen, Matschen, Malen, Gestalten, den Körper in Schwingung versetzen, ihn in Bewegung bringen, bis ein Tanz entsteht. Die Lust am Ausdruck, spontan und spielerisch. Das alles ist von Anfang an da.
Holen wir den Begriff der Kreativität doch aus der Ecke des Exklusiven heraus: Kreativität ist nicht dem Künstler vorbehalten! Ich weiß nicht, ob ich mich als Künstlerin deklarieren möchte. Ich weiß aber, dass das Kind in mir eine Künstlerin war und ist. Lasst uns spielen! – Bei allem Ernst.